Montag, 30. Oktober 2006

Mehr Streitkultur, wenn ich bitten darf!

Zum Thema Architekturvermittlung - einige Repliken zu einer äußerst harmonisch geführten Podiumsdiskussion ("architektur bricht auf" - Franz Morak, Staatssekretär für Kunst und Medien, Riklef Rambow, BTU Cottbus, Arch. DI Georg Pendl, Bundesvorsitzender Sektion Architekten, DI Karin Tschavgova-Wondra, Architekturvermittlung, Architekturpublizistik, Barbara Feller, Architekturstiftung Österreich / KulturKontakt Austria, Moderation: Univ. Prof DI Dr. Christian Kühn, 25. 10. 2006)

Architekturvermittlung ist etwas Gutes, darüber ist man sich einig, wahrscheinlich auch deswegen, weil es gilt, eine Initiative, die sich bemüht, Architektur in der Schule einen größeren Stellenwert zukommen zu lassen, nicht zu verschrecken. Die in der Diskussion angeführten Ziele einer solchen Bemühung lassen jedoch Zweifel aufkommen, dass die eigentlichen Ziele dieser Initiative gar nicht verstanden werden oder nicht verstanden werden wollen: Die von allen wohlgefällig aufgenommen Formel lautet nämlich "Sensibilisierung". Man soll Schüler für gute (?) Architektur sensibilisieren, ihnen bei der Wahrnehmung derselben behilflich sein, ihnen das nötige Rüstzeug für diesen Erkenntnisprozess (?) in die Hand geben, also einerseits durch kreatives Tun aufgeschlossenen und motivierten Heranwachsenden (vielleicht auch den einen oder anderen Erwachsenen) mit der nötigen (Fach-)Information versorgen und ihm das sprachliche Rüstzeug vermitteln, das Gefühlte, Erlebte (oder auch nur Erahnte) verbalisieren zu können. Freudig würde der sich so an die Architektur Herangeführte dann zur Qualität bekennen und mit Recht stolz auf die als nationale Identitätsstifterin empfundene Kulturleistung sein. So weit so gut. Oder so schlecht? Architekturvermittlung reduziert sich in diesem Konsensmodell vor allem auf die Position des Schönredens. Obwohl die dumpfe Ahnung tief in uns sitzt, mit diesem Projekt oder jener Situation könne etwas nicht stimmen, werden wir angehalten, positiv zu denken und die Position der Bewunderung ja nicht zu verlassen, nicht zuletzt mit dem Verweis auf eine unabdingbare Expertenmeinung, deren Autoritätsanspruch jegliche Zweifel sofort in die Knie zwingt. Wenn in Salzburg durch einen gewieften und millionenschweren Investor die Entscheidungsträger (Politiker) über den Tisch gezogen und statt eines nötigen Studentenheimes Zweitwohnungen für betuchte Festspielgäste errichtet werden, dann erscheinen formalästhetische Aussagen von Seiten der Architekturvermittlung in einem äußerst fragwürdigen Licht (Baukörper wie "Kristalle vor der Felswand" - Kühn/SN 11. 10. 2006). Die Glitzerwelt der Firma Swarovsky ist weltweit ein Exportschlager, hat wie ich meine aber nichts mit seriöser Architekturvermittlung zu tun. Oder haben wir uns jeglicher kritischer Stellungnahme zu entziehen, weil wir ja "vermitteln" und nicht, wie es bisher auch üblich war, Architekturkritik üben? Ist die Vorstellung eines mündigen, aufgeklärten und deshalb auch manchmal unbequemen Staatsbürgers kein schulisches Idealbild mehr? Dürfen wir nur mehr die hedonistische Seite des Lernprozesses in dieser Angelegenheit betonen, also in der Vermittlung dieses konkreten Projektes mit Glitzersteinen die Intentionen der planenden Architektinnen nachstellen? Ja, Lernen muss einfach Spaß machen, die Schule hat sich dem Taumel medialer Beglückungsszenarien anzugleichen, sonst mögen wir sie nicht. So der allgemeine Tenor. Dennoch: Architekturvermittlung kann und darf keine Einübung in bestehende Denkmuster sein, darf sich nicht als Verbrüderungsszenario einer bestehenden Elite definieren, sondern hat immer von den konkreten Bedürfnissen des Individuums auszugehen. Damit ist Architekturvermittlung grundlegend und radikal politisch. Architekturvermittlung kann Leitlinien und Strategien entwickeln, wie auf Architektur im weitesten Sinne reagiert werden kann, wie man diese vereinnahmen, dekonstruieren und verändern kann und birgt daher ein ungeheuer brisantes Potential in sich. Der Architekturbegriff unserer Gesellschaft ist weitgehend statisch definiert und mit konsequenten Tabus belegt. Wenn Architekturvermittlung einen Beitrag zur Überwindung dieses auf Erstarrung und territorialer (und somit gesellschaftlicher) Ab- und Ausgrenzung basierenden Kulturbegriffs zu leisten im Stande sein soll, dann muss das Ziel eines mündigen, partizipationsfähigen und demokratisch agierenden Menschen weiter verfolgt werden. Alles andere ist Methodenstreit.

Anton Thiel

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